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Handwerkskammer Aachen, Foto: Elmar Brandt

Pressemitteilung vom 15.11.2023Handwerk sieht dringenden Handlungsbedarf

Vollversammlung in Düren: Kammerpräsident Herwartz appelliert und fordert

Düren. Deutliche Verbesserungen für die Handwerksunternehmen in der Wirtschaftsregion Aachen, Düren, Heinsberg, Euskirchen hat der Präsident der Handwerkskammer Aachen, Marco Herwartz, gefordert. Bei der Herbst-Voll­versammlung in Düren sagte er, dass es höchste Zeit werde, mit der Rettung der Baubranche zu beginnen. Sie werde nicht nur dringend gebraucht, sondern sei systemrelevant. 

Auch für die übrigen Gewerke sieht Herwartz dringenden Handlungsbedarf. Vor allem im Hinblick auf den Bürokratieabbau. Anstatt die Klimawende voranzubringen, müssten sich die Betriebe mit immer neuen Vorschriften und überbordenden Auflagen auseinandersetzen. Deshalb fordere das Handwerk ein Entbürokratisierungsgesetz, das seinem Namen gerecht wird.

„Ein Gezerre wie um das Heizungsgesetz können wir uns nicht leisten“, mahnte Herwartz. „Unsere Betriebe benötigen Planungssicherheit und Rahmenbedingungen, die zu mehr Aufträgen führen, anstatt auch die Verbraucher vollends zu verunsichern. Hier muss die Politik verantwortlicher handeln. Unbedingt! Und schnell!“ 

Ein subventionierter Strompreis nur für die Großindustrie benachteilige den Mittelstand und verhindere Anreize zur Energieeffizienz, kritisierte der Kammerpräsident. Bei den zu erstellenden kommunalen Wärmeplanungen forderte er die Berücksichtigung der handwerksbetrieblichen Interessen. 

Zur Bekämpfung des Fachkräftemangels im Handwerk müsste bei Jugendlichen, Eltern, Lehrern und Schulleitern deutlicher werden, wie attraktiv Handwerksberufe sind und welche hervorragenden Karrieremöglichkeiten es gibt beziehungsweise wie glücklich die Arbeit im Handwerk macht. Der Kammerpräsident verwies auf eine Studie der IKK classic, die hervorbrachte, dass im Handwerk 80 Prozent der Beschäftigten mit ihrer Arbeit zufrieden sind, während es im Bundesschnitt aller Beschäftigten nur 55 Prozent seien.

Zwar steige das Interesse am Handwerk erkennbar, allerdings schlage sich dies noch nicht in einem Anstieg der abgeschlossenen Lehrverträge nieder. „Also müssen wir weiter fleißig werben“, so Herwartz. 

Eine Forderung des Handwerks diesbezüglich ist die verpflichtende Aufnahme von Werkunterricht an allgemeinbildenden Schulen, um jungen Menschen zu vermitteln, was es für tolle handwerkliche Berufe gibt. Hier sei das Land Nordrhein-Westfalen gefragt und müsse Einfluss nehmen.

„Wir müssen auch auf die jungen Menschen schauen, die nicht von sich aus in den Arbeitsmarkt drängen“, sagte Herwartz. Im vergangenen Jahr hätten 11.400 Schulabgänger keinen Abschluss in der Tasche gehabt. Aber auch diese Mädchen und Jungen hätten Talente und Fähigkeiten. Ebenso die vielen zu uns kommenden Geflüchteten. Das Handwerk integriere schon vielfach in hervorragender Weise, betonte der Kammerpräsident. Darüber hinaus könnten auch Menschen mit Behinderung im Handwerk wichtige Arbeitskräfte werden. 

Das Handwerk möchte die duale Ausbildung attraktiver machen. Dabei helfen soll die millionenschwere Exzellenzinitiative des Bundes, der dafür in der Förderrichtlinie Inex-ÜBA 30 Millionen Euro pro Jahr vorsieht. Die Handwerkskammer Aachen wird bis Ende des Jahres eine Projektskizze einreichen. Geplant ist ein „KI-Cockpit Ausbildung Handwerk“. Dessen Ziel ist es, eine Plattform zu etablieren, die Transparenz schafft, Organisation und Verwaltung der Überbetrieblichen Ausbildung verbessert und allen Beteiligten hilft, das Ausbildungsziel zu erreichen. 

Neue Wege will die Handwerkskammer auch mit der FH Aachen gehen. Ab dem Sommer 2024 soll das Projekt ONSET, Orientierungssemester Elektrotechnik, starten. Es zielt darauf ab, dass Schulabgänger im Beruf Elektroniker einen Ausbildungsvertrag schließen und sich gleichzeitig im Fach Elektrotechnik bei der FH Aachen einschreiben. Sie sind dann im ersten Semester beziehungsweise im ersten Halbjahr in der Ausbildung und studieren parallel. Danach müssen sie sich entscheiden, ob sie in der Ausbildung bleiben oder im Studium. In beiden Fällen werden die Zeiten aus dem „fallengelassenen“ Bildungsgang angerechnet, als Credit-Points im Studium beziehungsweise als Verkürzung der Ausbildung aufgrund der Studienphase. So sollen auf beiden Seiten Abbrüche vermieden werden. 

Wer über die Gleichwertigkeit von beruflicher und akademischer Bildung spreche, müsse auch dafür sorgen, dass Auszubildende die gleichen Vorteile genießen können wie Studierende. So setze sich die Handwerkskammer sehr für ein Azubi-Ticket ein, damit Lehrlinge wie Studierende auch den öffentlichen Personennahverkehr günstiger nutzen können, sagte Kammerpräsident Herwartz.  Außerdem spricht sich das Handwerk für die Schaffung von Azubi-Wohnheimen aus. 

Die Handwerkskammer Aachen möchte zum Wohle ihrer Unternehmen Zukunft mitgestalten und beteiligt sich deshalb als Kooperationspartnerin an der Ideenfabrik Nachhaltige Wirtschaft des Kreises Euskirchen. Dabei geht es um die Förderung und das Vernetzen von Unternehmen im Bereich Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Die Kammer stellt dabei Informationen zum Ausbildungs- und Weiterbildungsangebot insbesondere hinsichtlich der Transformation der Unternehmen zur Verfügung und bietet vor Ort Sprechstunden an. Weitere Angebote, die in das Projekt eingebracht werden, sind Digitalisierungschecks für Unternehmen, Energieberatung, Elektromobilitätsberatung, Realisierung und Bewerbung oder Unterstützung bei unternehmensbezogenen Veranstaltungen zu Künstlicher Intelligenz, Virtual Reality, 3D-Druck oder Building Information Modeling (BIM) im Handwerk. 

Herwartz appellierte abschließend an alle, zur Wahrung der wirtschaftlichen Wettbewerbsfähigkeit und des sozialen Friedens, Brücken zu bauen. „Die Herausforderungen dieser Zeit sind nur gemeinsam zu bewältigen“, sagte er.