
Pressemitteilung vom 17.09.2025Bildungsgerechtigkeit braucht Verfassungsrang
Gleichwertigkeit von beruflicher und akademischer Bildung gehört ins Grundgesetz.
Aachen. Anlässlich des Tags des Handwerks am 20. September fordert die Handwerkskammer (HWK) Aachen, die Gleichwertigkeit von beruflicher und akademischer Bildung im Grundgesetz zu verankern. „Die Entscheidung für eine Ausbildung ist kein Plan B, sondern eine gleichwertige und zukunftssichere Wahl“, betont Kammerpräsident Marco Herwartz. „Die Gleichwertigkeit der beiden Bildungswege ist seit Jahren politisches Bekenntnis – in der Praxis aber weiterhin nicht umgesetzt.“
Die berufliche Bildung ist eine tragende Säule des deutschen Bildungssystems. Fachkräfte aus Handwerk und Mittelstand sichern Innovation, Wohlstand und Daseinsvorsorge. „Dennoch bleiben Gesellinnen, Gesellen, Meisterinnen und Meistern viele Türen verschlossen, die Akademikerinnen und Akademikern offenstehen“, so Herwartz weiter. Ein Beispiel: In zahlreichen Stellenausschreibungen, gerade im öffentlichen Dienst, werden für gehobene Positionen fast ausschließlich akademische Abschlüsse vorausgesetzt. Wer eine Meisterprüfung oder einen Betriebswirt nach Handwerksordnung vorweisen kann, bleibt oft außen vor – trotz identischem Niveau im Deutschen Qualifikationsrahmen (DQR).
„Wenn wir Gleichwertigkeit ernst meinen, müssen Meistertitel und andere berufliche Abschlüsse künftig denselben Zugang eröffnen wie Hochschulabschlüsse“, sagt Herwartz. „Das betrifft nicht nur den öffentlichen Dienst, sondern auch Karrierewege in Unternehmen und Verwaltungen. Wir brauchen diese rechtliche Klarstellung, um jungen Menschen zu zeigen: Euer Weg über die berufliche Bildung ist genauso wertvoll, chancenreich und anerkannt.“
Auch politisch ist die Richtung klar: Die NRW-Landesregierung hat es sich zur Aufgabe gemacht, Nordrhein-Westfalen zum Berufsbildungsland Nummer eins in Deutschland zu machen. Auf Bundesebene hat die neue Regierung die Gleichwertigkeit von akademischer und beruflicher Bildung ebenfalls im Koalitionsvertrag verankert. „Das sind wichtige politische Signale“, erklärt Herwartz. „Aber solange diese Gleichwertigkeit nicht im Grundgesetz steht, bleibt sie angreifbar. Wir brauchen einen klaren Rechtsrahmen, der jungen Menschen und Betrieben Planungssicherheit gibt.“
Aus Sicht des Handwerks umfasst die Gleichwertigkeit von akademischer und beruflicher Bildung auch eine vergleichbare finanzielle Unterstützung der Bildungszentren des Handwerks. „Während die Hochschulen in den vergangenen Jahren massiv ausgebaut und deutlich stärker gefördert wurden, stagniert die Unterstützung für die ‚Hochschulen des Handwerks‘. Angesichts deutlich gestiegener Baukosten bedeutet das in der Realität sogar einen Rückschritt“, erklärt Herwartz.
Darüber hinaus sei es wichtig, jungen Menschen in Ausbildung die gleichen Rahmenbedingungen zu bieten wie Studierenden – etwa durch Azubi-Tickets im öffentlichen Nahverkehr zu attraktiven Konditionen oder durch den Ausbau von Azubi-Wohnheimen.