Seilworx
Suchbild: Über den Dächern von Aachen ist ein Seilworx-Mitarbeiter im Einsatz. Ortskundige erkennen, dass es sich um dem Kirchturm von St. Foillan in der Aachener Innenstadt handelt.

News vom 10.12.2025Klettern gehört zum Handwerk

Seilworx sieht sich als verlängerter Arm der Betriebe – wenn es hoch hinaus geht.

Bewerbunggespräche bei Seilworx laufen ein wenig anders ab als in anderen Betrieben des Kammerbezirks: Der Kfz-Mechatroniker und die Geigenbauerin werden beim Kennenlernen nun mal selten nach ihrer Höhenangst befragt.

Die Fähigkeit, auch noch in 100 Metern Höhe entspannt nach unten zu schauen, ist für den Aachener Betrieb aber unerlässlich: Seilworx bietet in der Region Industriekletter-Dienstleistungen an und arbeitet »Hand in Hand mit den Fachbetrieben«; für Firmengründer und Inhaber Dominic Malina ist seine Firma »der verlängerte Arm für den Handwerker«. Die Höhentauglichkeit ist naturgemäß ein Anspruch an seine Mitarbeiter, aber nicht der einzige: »Vor zehn Jahren, als ich die Firma gegründet habe, habe ich Bewerbern immer sofort die Frage nach Klettererfahrung und Schwindelfreiheit gestellt. Inzwischen habe ich gelernt, dass ich geeigneten Leuten das Klettern recht einfach beibringen kann, aber das Handwerkliche ist das Schwere.« Wenn der Kletterer in luftiger Höhe an der Fassade hängt, sind Tipps zur Arbeitstechnik ungünstig - er muss sein Metier einfach beherrschen. »Unser Fokus liegt inzwischen mehr darauf, dass ein Bewerber eine abgeschlossene Berufsausbildung im Handwerk hat.« Die endgültige Eignung für den Job stellt sich dann aber erst in der Luft heraus. Malinas Erfahrung: Wer beim Kennenlernen Heldengeschichten von tollkühnen Manövern im Überhang erzählt, wird nicht selten beim ersten Test an der Fassade bleich um die Nase herum. Wenn aber die Eignung erkennbar ist, gibt es bei Seilworx eine besondere Art der internen Fortbildung: Am neuen Unternehmenssitz auf dem Krantz-Areal an der Jülicher Straße in Aachen wird derzeit eine firmeneigene Kletter-Trainingshalle gebaut. Dort finden künftig auch regelmäßig Rettungsübungen für die derzeit 15 Mitarbeiter statt.
 

An Hallendecken und in der Schrägseilbahn

Beim Industriekletterer-Verband FISAT gibt es drei Stufen der Kletterfähigkeit, die in aufeinander aufbauenden Lehrgängen vergeben werden und regelmäßig aufgefrischt werden müssen: zum Beispiel die Fähigkeit, horizontal zu klettern, etwa an Hallendecken entlang. Das höchste Level ist der Nachweis dafür, dass der Kletterer in der Schräge, etwa an Seilbahnen, arbeiten kann, Gefährdungsbeurteilungen bei Einsätzen schreibt und die Verantwortung für das Team übernimmt. Die Kletter-Seite ist damit also abgedeckt. Aber wie steht es um dIE handwerklichen Fähigkeiten? »Wir haben zum Beispiel zwei gelernte Dachdecker im Team. Sie machen kleinere Reparaturen in der Höhe, die für den Handwerker nicht zu erreichen ist und wenn sich der Aufbau eines Gerüstes nicht lohnt.« So reparierte das Seilworx-Team etwa einen kleinen »Dachschaden« an der Aachener Kirche St. Foillan und ist auch sonst zur Stelle, wenn Schäden an Gebäuden, Türmen oder Windkraftanlagen schnell behoben werden müssen, um Gefahren oder Folgekosten zu vermeiden. Ein Beispiel: Ein defektes Kleinteil blockiert das Windrad, der Servicetechniker hat erst in zwei Wochen freie Termine. Also bekommt Seilworx den Reparaturauftrag - und nach einem Tag kann das Rad wieder Strom produzieren. Viele Fachbetriebe der Region arbeiten mit Seilworx zusammen und holen die Höhen-Experten zur Unterstützung dazu. Malina legt Wert darauf, nie als Konkurrent der Handwerksbetriebe aufzutreten: »Wir decken nur unsere Nische ab.«
 

Keine Hektik bei der Vorbereitung

Die Seilworx-Leute sind immer in eingespielten Teams mit drei Personen unterwegs, bei besonders anstrengenden Aufgaben sind es auch mehr. Und immer gilt: Einer sichert, der andere arbeitet, einer ist am Boden. Die Einsatzplanung hat einen besonderen Stellenwert: Wenn der Installateur ein Werkzeug im Lieferwagen vergessen hat, geht er ein paar Schritte. Wenn die Zange aber in 100 Metern Höhe gebraucht wird und unten im Sprinter liegt, ist das »mal eben holen« kompliziert. Die Vorbereitung eines Einsatzes ist in der Höhe nicht nur deshalb deutlich aufwendiger als am Erdboden. Und auch am Arbeitsplatz liegt der Schraubendreher nicht griffbereit an der Arbeitsfläche: Werkzeug und Material hängen gesichert im Seil oder werden an der Arbeitskleidung angehängt. Sicherheit steht für Seilworx grundsätzlich an erster Stelle, Hektik darf beim Aufbau der Seilkonstruktionen, in denen die Mitarbeiter dann später hängen und arbeiten, nicht aufkommen. »Im Schnitt eine Stunde« dauert die Besichtigung des Einsatzortes, die Gefährdungsabschätzung, die Erstellung des Sicherheits- und Rettungskonzeptes und die Suche nach geeigneten Anbaupunkten für die Seile. Manchmal muss das Personal aufgestockt werden: Wenn es auf dem Hochhaus einen Dachausgang gibt, muss dieser durchgängig bewacht werden, damit kein Fremder Zugriff auf die Seilsicherung hat. Die Arbeit an Fassaden ist zumeist aus Sicht der Sicherheit recht einfach, sagt Malina. »Wenn wir aber in einer Halle an der Decke klettern und unter uns Maschinen sind, ist das natürlich anspruchsvoller und die Planung aufwendiger.« Angesichts der Gefahren gebe es bei den Seilworx-Mitarbeitern einen besonderen Zusammenhalt und das Wohlbefinden stehe bei der Arbeit immer im Mittelpunkt. Die Kollegen müssen aufeinander achten und sich fest vertrauen – daher kommt Team-Events wie das gemeinsame Grillen oder der Ausflug in die Kletterhalle in diesem Betrieb besondere Bedeutung zu. Auch als Chef ist Dominic Malina bei den Arbeitseinsätzen dabei. Seine Motivation ist dabei die gleiche wie die seiner Mitarbeiter: »Sie lieben die Arbeit, sie mögen die Herausforderung und das Sportliche an diesem Job. Und sie sparen sich das Geld fürs Fitnessstudio.«