News vom 08.12.2025Mehr Ideen in die Werkstätten
1,3 Millionen Euro Bundesmittel für gemeinsames Pilotprojekt. Handwerkskammer Aachen baut mit Partnern einen Design-Thinking-Ansatz für die Ausbildung auf.
Wie entwickelt eine Elektronikerin nicht nur eine In-stallation, sondern gleich ein komplettes, stimmiges Lichtkonzept für die Kundin? Wie plant ein Heizungsbauer eine Wärmepumpe so ein, dass sie technisch perfekt läuft – und gleichzeitig unauffällig ins Gesamtbild des Hauses passt? Und wie entwirft ein Tischler Möbel, die in keinem Katalog zu finden sind, sondern die genau zu einem Raum, einem Geschmack und einem Budget passen? Genau diese Art zu denken und zu arbeiten, sollen Auszubildende im Handwerk künftig systematisch lernen.
Der Bund unterstützt diesen Ansatz jetzt mit rund 1,3 Millionen Euro: Die Handwerkskammer Aachen hat gemeinsam mit der Handwerkskammer Konstanz und der Beruflichen Bildungsstätte Tuttlingen den offiziellen Förderbescheid für ein dreijähriges Verbundprojekt erhalten. Ziel ist es, die überbetriebliche Ausbildung im Handwerk mit der Innovationsmethode »Design Thinking« weiterzuentwickeln.
Was Betriebe davon haben
- Azubis lernen früh, Bedürfnisse von Kundinnen und Kunden zu erkennen und in Produkte zu übersetzen.
- Sie trainieren, über den Tellerrand des eigenen Gewerks hinauszudenken – wichtig gerade bei komplexen Baustellen, bei denen viele Gewerke zusammenarbeiten.
- Sie werden sicherer darin, Ideen vor Kundinnen und Kunden zu erklären und zu präsentieren.
- Design Thinking fördert das Mitdenken und die Kreativität.
Marco Herwartz, Präsident der Handwerkskammer (HWK) Aachen, betont den Praxisnutzen: »Design Thinking fördert die Fähigkeit, kreative Lösungen für reale Herausforderungen zu entwickeln – eine Kompetenz, die im modernen Handwerk unverzichtbar wird.« Und HWK-Hauptgeschäftsführer Georg Stoffels sagt: »Das Projekt ist ein wichtiger Schritt, um die Ausbildungsqualität im Handwerk weiter zu steigern und junge Fachkräfte fit für die Zukunft zu machen.«
Die Projektentwicklung in Aachen verantwortet Marc Schnitzler, Berater für Innovation und Technologie bei der Handwerkskammer Aachen. Er bringt seine Expertise aus der Akademie für Handwerksdesign Gut Rosenberg ein – einem Bildungszentrum der Handwerkskammer Aachen, das sich seit Jahren mit der Frage beschäftigt: Wie kann man Gestaltungskompetenz und Innovationsfähigkeit im Handwerk systematisch vermitteln?
In der Kaderschmiede für Design lernen angehende Handwerksmeisterinnen sowie Gestalter im Handwerk unter anderem Methoden wie Design Thinking kennen. Dort werden reale Kundenbedürfnisse analysiert, Ideen entwickelt, Prototypen gebaut und Lösungen überzeugend präsentiert. Das stärkt Kreativität, Eigenverantwortung und die Fähigkeit, selbstständig Konzepte zu entwickeln.
Diese Erfahrung fließt nun in das neue Projekt ein: Erstmals wird Design Thinking strukturiert in die überbetriebliche Ausbildung übertragen – zunächst als freiwilliges Zusatzangebot für Auszubildende. Das heißt: Schon in der Lehrzeit soll vermittelt werden, wie man Probleme nicht nur technisch löst, sondern ganzheitlich denkt – also funktional, ästhetisch und kundenorientiert.
Design Thinking ist eine Methode, die in vielen innovativen Unternehmen eingesetzt wird. Sie hilft, Probleme strukturiert und nutzerorientiert zu lösen. Heißt:
- Verstehen, was die Kundin oder der Kunde wirklich braucht.
- Ideen sammeln – auch unkonventionelle.
- Modelle und Prototypen bauen.
- Die Lösung verbessern, bis sie passt.
Im Handwerk ist das hoch relevant: Hier geht es jeden Tag darum, auf individuelle Situationen zu reagieren und nicht nur nach Norm zu liefern. Die Methode eignet sich ausdrücklich nicht nur für klassische »Gestaltungsberufe«, sondern auch für Anlagenmechaniker für Sanitär-, Heizungs- und Klimatechnik; Metallbauerinnen oder Elektrotechniker, da die Methode einen praxisnahen Werkzeugkasten bietet.
Im Bildungszentrum BGZ Simmerath der Handwerkskammer Aachen wird ein eingerichteter Kreativraum aufgebaut. Dieser bildet den gesamten Design-Thinking-Prozess ab – von der Ideenentwicklung über das Prototyping bis zur Präsentation. Die Raumgestaltung folgt einem bewährten Konzept mit flexibler Möblierung, digitalen Tools und Zonen für Denken, Machen und Zeigen. Anfang 2026 starten dort die ersten Schulungen. Geschult wird am Anfang durch professionelle Trainerinnen und Trainer der Akademie für Handwerksdesign Gut Rosenberg. Im nächsten Schritt werden Ausbilderinnen und Ausbilder im Rahmen eines Train-the-Trainer-Programms qualifiziert. Ziel ist, dass die Methode später eigenständig im Ausbildungsalltag angewendet wird – also ohne zusätzliche externe Trainerinnen und Trainer.
Langfristig soll Design Thinking gewerkeübergreifend fester Bestandteil der überbetrieblichen Ausbildung werden. Das Projekt entwickelt dafür eine Transferstrategie, die auch die politischen und bildungsorganisatorischen Rahmenbedingungen berücksichtigt. Ziel ist es, die Methode in die Ausbildungspläne einzubinden – und so die Innovationsfähigkeit des Handwerks zu stärken.
Das Projekt »Design Thinking als Methode in der überbetrieblichen Ausbildung im Handwerk (DTM)« wird im Rahmen der »Initiative für exzellente überbetriebliche Ausbildung (INex-ÜBA)« vom Bundesministerium für Bildung, Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMBFSFJ) gefördert. INex-ÜBA wird durchgeführt vom Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB). Projektpartner sind die Handwerkskammer Aachen, die Handwerkskammer Konstanz und die Berufliche Bildungsstätte Tuttlingen. Die Gesamtlaufzeit beträgt drei Jahre.