Mann im Rollstuhl in einer Werkstatt.
Adobestock - Firma V
Die Bedingungen müssen stimmen: Die Inklusionsberatung gibt Hinweise, wie ein Arbeitsplatz für den behinderten Mitarbeiter angepasst werden kann.

News vom 11.11.2025Wegbereiter - nicht nur für den Rollstuhl

Die Inklusionsberatung macht behinderte Mitarbeiter in Handwerksbetrieben zum Thema. Und manchmal rät sie auch zum schweigen.

Text: Alexander Bank_

Wenn sich Tom Schruff einschaltet, ist es vorbei mit Sonntagsreden und Absichtserklärungen: Sein Thema ist die Integration behinderter Menschen in den Arbeitsmarkt und er geht die Sache erfrischend pragmatisch an – mit der Frage an die Betriebe: »Was können wir für Euch tun, damit mehr behinderte Menschen Arbeit finden, welche Vorbehalte gibt es, wie schafft ihr die bürokratischen Hürden?« Beratung und Information sind die Schlüsselwörter, Tom Schruff ist Inklusionsberater bei der Handwerkskammer Aachen.

Und er räumt direkt mit den gängigen Vorstellungen auf: Ein schwerbehinderter Mensch muss nicht in jedem Fall massive Hörprobleme haben, unter einer Form von Erblindung leiden, im Rollstuhl sitzen oder Autist sein. Es kann auch der Arbeitskollege sein, der mit einer Spenderniere lebt; der Mitarbeiter, dessen Rücken nicht mehr belastbar ist; und die bewährte Kraft, für die nach dem Autounfall trotz diverser Operationen jeder Meter zu Fuß eine Anstrengung ist. Schruffs Arbeitsplatz ist offiziell die »einheitliche Ansprechstelle für Arbeitgeber«, für die der Landschaftsverband Rheinland (LVR) zuständig ist. Der LVR hat die Handwerkskammer Aachen damit beauftragt, die Beratung für den Kammerbezirk zu übernehmen. Damit ist die Ausrichtung klar, Tom Schruff ist ausschließlich für die Arbeitgeberseite zuständig. Er berät Betriebe, die einen behinderten Menschen einstellen möchten, informiert über Fördermöglichkeiten und rechtliche Rahmenbedingungen und wird ganz konkret: »Wie kommt der Mitarbeiter mit dem Rollstuhl in die erste Etage; welche Hilfsmittel gibt es, die sehbehinderten Menschen die Bildschirmarbeit erlauben oder welche Vorsichtsmaßnahmen sind zu ergreifen, wenn der Kollege mit der Spenderniere im Großraumbüro sitzt.« Tom Schruff hat in der verzweigten Fördermittel-Landschaft den Überblick und weiß, welcher Topf beispielsweise die Rollstuhl-Rampe finanziert oder woher der Zuschuss für die barrierefreie Toilette kommt.

Der behinderte Bewerber überzeugt

Welche Gründe sind es, die einen Betrieb bei Tom Struff anklopfen lassen? »Es gibt die Handwerker, die einfach nur ‘gute Menschen’ sind und behinderten Menschen eine Perspektive geben möchten», sagt er: »Sie haben jemanden kennengelernt, dem sie eine Chance auf dem Arbeitsmarkt geben möchten.« Die Motivation hat vielfach auch einen ganz praktischen Grund: Der Bewerber überzeugt in Sachen Fähigkeiten und Charakter, die Behinderung ist dann nur ein Randaspekt auf dem Weg zur Anstellung, aber der Betrieb möchte sich dennoch über die Rahmenbedingungen der Beschäftigung informieren.

Dazu leistet Tom Struff Aufklärungsarbeit etwa in den Meisterklassen der Handwerkskammer Aachen: »Schwerbehindert heißt nicht, dass jemand automatisch nicht leistungsfähig ist. Es kann sein, dass jemand einen Behinderungsgrad von 100 hat und im Unternehmen die produktivste Arbeitskraft ist.« Schruff ist dabei weder Baufachmann noch Psychologe – aber er ist gut vernetzt: Bei der Beratung zum Arbeitsplatz etwa schließt er sich kurz mit dem technischen Beratungsdienstes der LVR-Inklusionsamtes. Bei der Beratung der Arbeitnehmer oder Beratung zu einer Behinderungsart wendet er sich an den LVR-Integrationsfachdienst; von dort kommt auch ein Service, der sich an die künftigen Kollegen des behinderten Mitarbeiters richtet: »Sie bieten Job-Coachings an, informieren also, was beispielweise Autismus ist und wie man mit Betroffenen umgeht.«Die »Job Coaches« bleiben dann direkte Ansprechpartner für den behinderten Menschen.

Nicht jeder muss es wissen

Es gibt durchaus Situationen, in denen Schruff von der »Veröffentlichung« der Behinderung im eigenen Team abrät: »Einigen Personen sieht man ihre Behinderung nicht direkt an. In einer solchen Situation muss man das auch nicht kommunizieren.« Genau dieser Fall sei ihm kürzlich begegnet: Die Betriebsleitung war nicht sicher, ob sie Fördermittel zur Anstellung des behinderten Azubis in Anspruch nehmen solle: »Der Azubi und ich möchten nicht, dass das hier jemand mitbekommt.« Schruff organisierte dann die Fördermittel, und zwar so diskret, dass es niemand erfuhr.

Das Angebot an finanzieller Förderung für Handwerksbetriebe, die einen behinderten Mitarbeiter einstellen, ist vielfältig, lässt sich entsprechend individuell auf die Situation der Handwerksbetriebe zuschneiden und speist sich aus zahlreichen Fördertöpfen. So steuert beispielsweise das LVR-Inklusionsamt Unterstützung beim Ausbildungsbeginn bei: Vorgesehen sind etwa Investitionskostenzuschüsse für Betriebe, die neue Ausbildungsplätze für behinderte Azubis einrichten – dabei kann es dann um einen neuen PC oder angepasste Werkzeuge und Maschinen gehen. Der LVR (Landschaftsverband Rheinland) zahlt darüber hinaus Ausbildungsprämien für Betriebe aus, bezuschusst die Gebühren für die Berufsausbildung und ist auch Ansprechpartner, wenn es um Angebote wie Jobcoaching am Arbeitsplatz oder zusätzlichen Unterricht geht.

Gestaltung des Arbeitsplatzes

Auch die Bundesanstalt für Arbeit (BfA) hilft Betrieben: Sie bietet einen Ausbildungsvergütungszuschuss an und fördert die behindertengerechte Gestaltung des Arbeitsumfeldes - Stichworte hier sind die Barrierefreiheit von Werkstatt oder Aufenthaltsräumen. Unterstützungspakete dieser Art gibt es von LVR und BfA auch für andere Beschäftigungssituationen: Wenn der Auszubildende übernommen wird, wenn ein behinderter Arbeitnehmer eingestellt wird und wenn Arbeits- oder Ausbildungsverhältnisse gesichert werden sollen. Angesichts dieser Vielfalt der Fördermöglichkeiten ist eine genaue Beratung der einzige Weg, um behinderten Mernschen und Betrieben eine erfolgreiche und langfristige Zusammenarbeit zu ermöglichen.

Inklusionsberatung

Die Inklusionsberatung gehört zu den Einheitlichen Ansprechstellen für Arbeitgeber (EAA) und ist bei der HWK Aachen angesiedelt. Sie berät über Fördermöglichkeiten und unterstützt Betriebe bei der Suche nach geeigneten Bewerbern.
Mehr Infos finden Sie unter www.hwk-aachen.de/inklusionsberatung

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