Tafel mit Aufschrift: Wer wenn nicht wir?
Adobe Stock - Osterland
In Zeiten, in denen sich Bewerbende zwischen mehreren freien Stellen entscheiden können, ist es wichtig, als Arbeitgeber überzeugend und sympathisch zu wirken.

News vom 17.04.2024Neue Wege zu mehr Arbeitgeberattraktivität

Fachkräftesicherung und Familienfreundlichkeit im Handwerk – Unternehmer berichten über ihre erfolgreichen Maßnahmen

Heinsberg. Kein wirtschaftlicher Erfolg ohne zufriedene Mitarbeiter. Keine Frage: Arbeitnehmer zu finden beziehungsweise zu halten ist derzeit für viele kleine und mittlere Unternehmen die größte Herausforderung. Das zeigte schon allein das Interesse an einer Informationsveranstaltung in Heinsberg, die unter mehreren Partnern auch die Handwerkskammer Aachen mit organisiert hatte.

Ein alarmierendes Signal für Betriebe ist die Tatsache, dass die Wechselbereitschaft unter Arbeitnehmern steigt. Dazu lieferte Fabian Semsarha vom Kompetenzzentrum Fachkräftesicherung Institut der deutschen Wirtschaft (KOFA) statistisches Material. So seien nach einer EY Jobstudie von 2023 nur noch 37 Prozent der Beschäftigten gar nicht an einem Arbeitsplatzwechsel interessiert. Vor sechs Jahren waren es noch 82 Prozent.

Bei jungen Menschen steigt laut Semsarha die Aktivität, in Sozialen Medien nach einer Ausbildungsstelle zu fahnden. Deswegen sei es wichtig, dass Unternehmen, die Lehrlinge suchen, sich hier gut präsentieren. Immerhin seien es schon 79 Prozent, die Social Media für ihr Ausbildungsmarketing einsetzen, allerdings machten nur 36 Prozent auch bezahlte Werbung auf den Kanälen. Wichtig sei es, so der Referent, die eigenen Zielgruppen zu bestimmen und die „richtigen“ Inhalte zu finden. Dabei seien die ausschlaggebenden Faktoren bei der Arbeitgeberwahl zu beachten: Arbeitsplatzsicherheit, attraktives Gehalt und Sozialleistungen, angenehme Arbeitsatmosphäre, finanzielle Stabilität des Unternehmens sowie Work-Life-Balance. Junge Menschen wollten vor allem etwas tun, das sie sinnvoll finden. Sie brauchen demnach das Gefühl, etwas Wertvolles zu leisten.

Fabian Semsarha gab den Tipp, den Blick nach innen zu richten und zu fragen: Was bieten wir? Was sind unsere Werte? Wie ticken wir? Worauf sind wir stolz? Was ist das Besondere an unserem Unternehmen? So könne eine Schnittmenge ermittelt werden, in der die Stärken des Betriebs sich mit den Ansprüchen der Zielgruppe vermischen.

Beliebte Inhalte in Social Media sind laut Fabian Semsarha Job- und Ausbildungsstories oder die Vorstellung eines neuen Mitarbeiters sowie Berichte über Weiterbildungen. Sehr gut wirkten auch Beiträge, die von Auszubildenden selber produziert und gepostet würden. Einen guten Effekt hätten auch Gratulationen zu Jubiläen von Mitarbeitern. Lustiges dürfe natürlich vorkommen und Selbstironie wirke sympathisch.

Viele Ideen, viele Tipps und viel Kreativität: In Heinsberg erhielten interessierte Besucher einer Infoveranstaltung zahlreiche Anregungen für die Ansprache von potenziellen Mitarbeitern.
Handwerkskammer Aachen -Elmar Brandt
Viele Ideen, viele Tipps und viel Kreativität: In Heinsberg erhielten interessierte Besucher einer Infoveranstaltung zahlreiche Anregungen für die Ansprache von potenziellen Mitarbeitern.

Best-Practice-Beispiele

Nach dem Impulsvortrag stellten fünf Handwerkerinnen und Handwerker aus dem Kammerbezirk Aachen ihre erfolgreichen Strategien und Aktivitäten zur Fachkräftesicherung vor. Den Anfang machte Tischlermeisterin Jule Rombey aus Selfkant. Sie pflegt drei Profile. Mit „handwerk.hilft“ bietet sie eine Plattform für engagierte Betriebe, blickt auf Veranstaltungen zurück und kündigt weitere an. Mit „holztreppen_rombey“ spricht sie direkt die Kunden an und präsentiert die Leistungen und Arbeiten des eigenen Unternehmens. Das persönliche Profil „jule.rombey“ soll eine möglichst große Reichweite bei Kunden und Interessierten erreichen. „Aus Werbung für das Handwerk entsteht authentische Werbung für den Betrieb“, sagt Jule Rombey, die dafür plädiert, die eigene Arbeit zu zeigen und das, was man selber an dieser liebt. „Ihr könnt euer cooles Team zeigen, eure schönen Räumlichkeiten, eure interessanten Projekte, eure individuelle Arbeit. Die Community wird unterbewusst anfangen euch zu lieben und sie hat das Gefühl, euch zu kennen. Wenn also ein Jobwechsel ansteht, seid ihr die erste Wahl.“

Push und pull

Auf die Push- und Pull-Methode setzt Daniel Sodekamp in seiner Elektrotechnik GmbH in Linnich. Zum „Pushen“ zählen aktive Maßnahmen eines Unternehmens, um Mitarbeitende zu entwickeln, zu fördern oder intern zu motivieren. Ziel ist laut Sodekamp dabei die Förderung der internen Talententwicklung und die Erhöhung der Mitarbeiterbindung. Sodekamp setzt dabei auf interne Weiterbildungs- und Qualifizierungsprogramme, Karrieremöglichkeiten innerhalb des Betriebs. Er bietet leistungsabhängige Boni und andere finanzielle Anreize. Darüber hinaus erhalten Mitarbeiter Belohnungen für das Anwerben neuer Talente.

Grundlage der Pull-Methode ist die Schaffung einer attraktiven und einladenden Arbeitsumgebung, die potenzielle Mitarbeiter von außen anzieht. Sodekamp verfolgt den Aufbau einer starken Arbeitgebermarke und setzt auf positive Außendarstellung des Unternehmens. Er bietet flexible Arbeitszeiten und Home-Office-Optionen, Jobbikes und vermögenswirksame Leistungen. Er möchte eine Unternehmenskultur, die Diversität, Inklusion und Mitarbeiterwohlbefinden in den Vordergrund stellt. „Du kannst nur mit Leuten weiterkommen, die wollen“, sagt Sodekamp.

Netzwerke nutzen

Mut, Willenskraft, Handeln – das alles ist dem Friseurmeister und Barber Milad Kakone, der in Weilerswist einen Salon betreibt, wichtig. Er kam 2016 nach Deutschland, absolvierte eine Friseurausbildung und machte später den Meister. Er baute Netzwerke auf, durch die er viele Kontakte erhielt, die er auch zum Finden von Fachkräften und Lehrlingen nutzt. Er engagiert sich ehrenamtlich, zum Beispiel in Prüfungsausschüssen, und ist Botschafter des Handwerks. Milad Kakone setzt auf Zusammenarbeit und Kommunikation. Er arbeitet eng mit seiner Innung und mit der Handwerkskammer Aachen zusammen, präsentiert den Friseurberuf mit Berufskollegen in Schulen, auf Messen und Info-Veranstaltungen. Darüber hinaus informiert er online über seine Website und in den Sozialen Medien. Da jeder der Kollegen Mitarbeiter sucht, ist es Milad Kakone wichtig, „zusammen Ideen zu entwickeln“. Es sei sehr hilfreich, Probleme zu teilen und miteinander zu besprechen.

Das eigene Video

Wie gut bewegte Bilder wirken, weiß Dachdeckermeister Pascal Kaulartz (Monschau) aus eigener Erfahrung. Er hat mit seinen Mitarbeitern eigene Videos produziert, in denen diese von einer super Atmosphäre, einem familiären Klima im Team und täglichen Abenteuern bei der Arbeit sprechen. Mit seinen Filmen wirbt er aktiv um neue Mitarbeiter und lädt sie ein, in sein Unternehmen zu kommen. „Komm‘ zu Kaulartz und fang‘ direkt ganz oben an“. Das sagt der Dachdeckermeister am Ende seines Videos. Eine sympathische Aufforderung an die Zuschauer, passend zum Gewerk. Das Geld, das er in die professionelle Produktion der Videos und deren Ausspielung auf Social Media gesteckt hat, zahlt sich nun spürbar aus: Bereits drei neue Fachkräfte konnten im vergangenen Halbjahr eingestellt werden.

Sich selber im Blick

Mut zur Veränderung hat Olaf Korr, Inhaber einer Aachener Tischlerei, gezeigt, und seine eigene Person, seine Rolle als Chef sowie die Transformation der Unternehmenskultur in den Blick genommen. Besonders geprägt hat ihn der Kinofilm „Die stille Revolution“ nach der Vision von Bodo Janssen, Geschäftsführer des Unternehmens Upstalsboom. Er steht für den Kulturwandel in Unternehmen, für die Suche nach dem Sinn und für Werte wie Vertrauen, Wertschätzung, Freiheit, Offenheit, Lebensfreude, Liebe und Verantwortung. Der Film hat Olaf Korr sehr bewegt, zum Umdenken und Handeln gebracht. Eine menschenorientierte Führung ist ihm wichtig. Er will seine Mitarbeitenden aktiv an der Gestaltung des Unternehmens beteiligen. In Workshops mit professionellen Coaches hat er mit ihnen Ziele und Wege erarbeitet. Sie finden weiterhin regelmäßig statt. Außerdem führt er Mitarbeitergespräche, ermöglicht Fortbildungen und schreibt der Erhaltung der Gesundheit einen hohen Stellenwert zu.

Kostenfreier E-Learning-Kurs „Digitale Mitarbeitergewinnung“
Digitale Kanäle und Werkzeuge können helfen, zielgerichtet und kostengünstig neue Fachkräfte sowie Auszubildende zu finden. Der neue Lehrgang des Mittelstand-Digital-Zentrums zeigt, wie man dabei vorgehen sollte. In den neun Modulen geht es um die Wahrnehmung als attraktiver Arbeitgeber, um die Website als digitales Aushängeschild, um Suchmaschinenoptimierung, Social Media und die richtige Ansprache von jungen potenziellen Bewerbenden. Weitere Themen sind Online-Anzeigenwerbung, Jobportale im Internet, Recruiting-Videos sowie Rechtssicherheit und Datenschutz. Ein großer Vorteil des Kurses ist, dass er im eigenen Tempo und ohne vorherige Anmeldung absolviert werden kann. shorturl.at/qwxzL

Kontakt bei der Handwerkskammer Aachen:

sabine_wessing_23_02_240x300px

Sabine Wessing

Tel. +49 241 471-173

Fax +49 241 471-131

sabine.wessing--at--hwk-aachen.de