
DHB-Ausgabe August 2025Verbindungen schaffen, Vergänglichkeit würdigen
Mit dem Regal „FLECO II“ und der Objektserie „Stillleben“ überzeugen Paul Vietz und Anke Wolf beim NRW-Staatspreis MANUFACTUM 2025.
Von Doris Schlachter
Zukunft braucht Gestaltung – und Gestaltung braucht Handwerk. Der Staatspreis MANUFACTUM 2025 hat jetzt wieder eindrucksvoll gezeigt, wie innovativ und technisch anspruchsvoll das gestaltende Handwerk in Nordrhein-Westfalen ist. Gleich zwei der sechs vergebenen, mit jeweils 10.000 Euro dotierten, Preise gingen in den Kammerbezirk Aachen: an Paul Vietz aus Aachen und Anke Wolf aus Stolberg.
Paul Vietz: »Die Verbindung ist das Besondere«
Werkstück: Fleco II
Paul Vietz ist Tischlermeister und Meisterdesigner – beides wurde er Anfang Juli. An der Akademie für Handwerksdesign der Handwerkskammer Aachen absolvierte er das sogenannte Two-in-One-Studium, das in drei Jahren Unternehmensführung, Gestaltung und Meisterbrief miteinander verbindet. Er ist Studiengangsbester und der Staatspreis der krönende Abschluss seiner intensiven Studienzeit.
»FLECO II« heißt sein preisgekröntes Regal, welches übrigens kein Studienprojekt war. Es funktioniert auch als Raumteiler, ist aus langfaserigem Eschenholz gefertigt und kommt ohne Leim, Schrauben oder Werkzeuge aus. Die Elemente halten allein durch eine raffinierte Steckverbindung, die auf der inneren Spannung des Holzes basiert. »Ich wollte eine Verbindung entwickeln, die funktioniert, ästhetisch überzeugend ist und das Material Holz ausreizt«, sagt Vietz. Und: »Die Verbindung ist das Besondere dabei, nicht das Regal an sich. Aus der Verbindung heraus hat sich das Regal ergeben.«
Während der Vorbereitungszeit auf das Examen arbeitete der Meisterdesigner nachmittags am Regal, vormittags an der Theorie. »Das war eine gute Balance«, erinnert sich Vietz. »Ich war später so auf mein Meisterstück fokussiert, dass ich die Wettbewerbsarbeit fast vergessen hatte. Als dann die Nachricht kam, dass ich gewonnen habe, war das ein großartiges Gefühl.«
Und dabei steht der Aachener Handwerker gar nicht so gerne im Mittelpunkt, wie er selbst sagt. »Aber auf der Bühne war es dann doch ein sehr schöner Moment.« Das Preisgeld wird er unter anderem zur Deckung der Materialkosten für seine beiden Arbeiten verwenden – darunter auch sein Meisterstück »Angulus«, eine modern interpretierte Eckbank, die Emotion und Funktion verbindet. Damit belegte er kürzlich beim Rosenberger Designpreis den zweiten Platz. Und vielleicht entwickle er den Raumteiler, mit dem er den Staatspreis gewonnen hat, weiter. Übrigens: Dieser ist neben anderen Werken von Gestalterinnen und Gestaltern aus ganz Nordrhein-Westfalen noch bis zum 21. September in der Landesausstellung »MANUFACTUM« im Museum für Kunst und Kulturgeschichte in Dortmund zu sehen. Jetzt geht es aber erstmal in den Urlaub nach Portugal: »Mit 15 Leuten aus dem Freundeskreis surfen und einfach nur sein!«
Anke Wolf: Äpfel aus Glas, Gedanken aus Zeit
Schon 2001 wurde Anke Wolf mit dem Staatspreis NRW ausgezeichnet, nun erhält die aus Stolberg stammende Künstlerin ihn ein zweites Mal. Und auch ihr Werk ist in der Landesausstellung zu bewundern. Ihre Objektserie »Stillleben« besteht aus gläsernen Fallobst-Äpfeln, gefertigt in pâte-de-verre-Technik. Die uralte Glasformtechnik stammt aus dem alten Ägypten, wurde im Jugendstil neu entdeckt – und von Wolf in die Gegenwart geholt.
Der Arbeitsprozess bestand aus mehreren Schritten. Nach dem Erstellen der Grundform goss die Staatspreisträgerin diese mit einem Gemisch aus Gips, Quarzmehl und Schamott in drei bis vier Schichten ab. In der Abgussform wurde das pâte-de-verre-Gekröse verteilt, verdichtet und nach der Trocknung bei 820 Grad Celsius gebrannt und langsam abgekühlt. Die gewünschte Fragilität, Farbigkeit und Löchrigkeit – um den Alterungsprozess durch diese spezielle Technik darzustellen – wird schließlich durch die Materialauswahl besonders gut zum Ausdruck gebracht.
»Ich finde diesen Prozess unglaublich spannend«, sagt Anke Wolf. »Man arbeitet Schicht für Schicht, brennt das Werk, gräbt es vorsichtig aus wie ein Archäologe.«
Das Motiv des vergehenden Apfels wählte die erfahrene Gestalterin bewusst. »Ich wollte dem Verfall eine Würde geben. In einer Gesellschaft, die oft nur das Schöne inszeniert, wollte ich das Gegenteil zeigen: das Zerfallene, das dennoch schön ist.« Der Apfelbaum im eigenen Garten wurde zur Inspiration: »Das Gute liegt oft so nah.«
Wolf verbindet seit Jahrzehnten bildende Kunst mit Handwerk. Die Arbeiten der gelernten Goldschmiedin und Diplomdesignerin entstehen aus Glas, filigran gefertigtem Edelstahl oder Gips. » Ich arbeite sehr themenorientiert, experimentiere gerne, lote Grenzen aus und bin dafür immer auf der Suche nach neuen Techniken, Materialien, Ausdrucksformen.« Die pâte-de-verre-Technik lernte sie vor einigen Jahren bei einem Glaskünstler in den Niederlanden.
Nach der Preisverleihung arbeitet Anke Wolf an neuen Ausstellungen, unter anderem im Skulpturengarten Stolberg und in Eupen.
MANUFACTUM 2025: Zwei Staatspreise gehen in den Kammerbezirk Aachen